Shandong-Inspektionsreise 2012
Im April 2012 waren fünf Gründungsmitglieder von Hope-Baden-Baden wieder in drei Armutsregionen in der Provinz Shandong unterwegs. - Wie immer wurden die Reisen selbst finanziert, alle Spendengelder kommen zu 100% direkt bei unseren Schülern und Studenten an. – An fünf Schulen haben wir insgesamt 71 Schülerinnen und Schüler neu in die Förderung aufgenommen.
Wir waren in den Kreisen Rizhao, Wulian und in Linqu, wo wir schon seit Jahren aktiv sind. Shushan Li hat die Reise vorbereitet.
Oben von links: Frank Streller-Gründungsmitglied, Bernhard Hermann- Gründungsmitglied und Ehemann von Gisela Mahlmann ganz rechts außen, Ilse Streller - unsere Finanzverwalterin, selbst Leiterin einer Grundschule, Marianne Hartlieb- Gründungsmitglied und Grundschullehrerin, Li Shushan - unserer ehrenamtlicher chinesischer Helfer, der aus Shandong stammt und jetzt an der Li Gong Universität in Shanghai lehrt,
Hier sind wir mit sind wir mit acht neu in die Förderung aufgenommenen Oberstufenschülern der Oberschule Nr 1 in Linqu mit Schulleiter, Vizeschulleiter, Schulverwaltungsleiter zu sehen.
Die Oberschule Nr 1 in Linqu wurde 1952 gegründet. Hier werden nur die Klassenstufen 10 bis 12 unterrichtet, pro Jahrgangsstufe gibt es bis 20 Parallelklassen. Im Durchschnitt sind 55 Schüler in einer Klasse. Insgesamt gibt es hier 3000 Schüler, davon leben 80% im Internat auf dem Schulcampus. 10% der Schüler kommen aus extrem armen Familien, die das Schulgeld von umgerechnet 200.-€ pro Schuljahr nicht aufbringen können, weil deren jährliches Pro-Kopf-Einkommen keine 400.-€ erreicht.
Hope-Baden-Baden übernimmt an dieser Schule für insgesamt 17 Schülerinnen und Schüler die Schulkosten, die Internatskosten und Lebenshaltungskosten müssen die Familien selbst aufbringen. Die im letzten und vorletzten Jahr aufgenommenen Jugendlichen werden weiter bis zu ihrem Abschluss nach insgesamt drei Jahren gefördert. Wir ermöglichen so jungen Menschen aus extrem armen Familien die Klassen 10 bis 12 zu besuchen und sich dann für eine Universitäts- oder Fachhochschulausbildung zu qualifizieren.
An der zweiten Oberschule in Linqu haben wir 25 Jugendliche neu in die Förderung aufgenommen.
Eindrücke von einem Internat einer „unteren Mittelschule“ Klassen 7-9 in Linqu:
Schlichte Schulbaracken, ein Wasserhahn für 50 Kinder ist im Hof zwischen den Fahrrädern.
Blick in ein 10-Bettzimmer, alle persönliche Habe liegt tags auf dem Bett, nachts darunter. Schränke gibt es nicht. Jeder hat seine persönliche Waschschüssel, mit der er sich draußen das kalte Wasser holt und eine Thermosflasche.
In dieser Küche wird das Mittagessen für 300 Schüler bereitet.
An der Oberschule Nr.3 in Wulian haben wir bisher schon 117 Schülerinnen und Schüler gefördert. Insgesamt drücken hier 5000 Jungen und Mädchen die Schulbank. 1700 in der „unteren Mittelschule“, also in den Klassen 7-9 und 3300 sind Oberschüler in den Klassen 10-12. Durchschnittlich 56 Schüler sind in einer Klasse. Als erste Fremdsprache lernen alle Englisch. Alle Oberschüler nehmen an der zentralen jährlichen Hochschulaufnahmeprüfung teil. In den letzten Jahren wurden 65% der Schüler dieser Schule von Universitäten aufgenommen und 35 % von Fachschulen. (Im Provinzschnitt schaffen es 45% der Teilnehmer an der Hochschulaufnahmeprüfung auch an eine Universität oder Fachhochschule.)
Alle 411 Mitarbeiter der Schule werden vom Staat bezahlt.
Die Oberschule Nr 1 in Rizhao hat knapp 3000 Schüler in den Klassen 10-12. Sie werden 230 Lehrern unterrichtet und weitere 140 Angestellte - vom Hausmeister bis zu den Erziehern -kümmern sich um Verwaltung, Instandhaltung, Säuberung, Mensa und Betreuung der Internatsschüler. 85 % der Schüler leben die woche über im Internat und fahren am Wochenende heim. Das Schulgeld beträgt hier 1800.-Yuan im Jahr, ca 230.-€. Wir übernehmen davon 80%. Das Essensgeld beträgt pro Monat 200.-yuan (einfachstes Mensaessen), das müssen die Familien selbst aufbringen. Ein Platz im 8-Bett-Zimmer kostet 250.-Yuan im Jahr. Je 50 Schüler sind in einer Klasse. Die Lehrer geben 16 Stunden Unterricht pro Woche. Spätestens alle 14 Tage wird in jedem Fach ein Test geschrieben. Die Korrekturarbeit der Lehrer ist also unvergleichlich viel mehr, als bei uns. Das Anfangsgehalt der Lehrer an dieser Schule beträgt 2000.- Yuan = 250.-€ monatlich, nach etwa zehn Jahren bekommt ein Lehrer dann 4000.- Yuan.
Das Geld wird von uns immer vor allen Schülern öffentlich an die Schule überreicht. Mit dieser Öffentlichkeit wird gewährleistet, dass jeder weiß, wer gefördert wird und so jeder mögliche Missbrauch des Geldes verhindert wird. Wir bekommen von den Schulen über jeden Schüler Unterlagen und wir bleiben in Kontakt, wissen was aus unseren Schülern geworden ist. Mit jedem führen wir ein persönliches Gespräch, um die Angaben der Gründe für die Hilfsnotwendigkeit zu überprüfen und vor allem, um die Ziele und Träume dieser jungen Menschen kennen zu lernen. Das war sowohl für uns, die wir von diesen Schicksalen ganz erschüttert sind, keine leichte Situation, als auch für die Schüler, die oft zum ersten Mal mit Ausländern sprechen und die ihre häusliche Situation lieber nicht vor vielen anderen ansprechen würden.
Wang Chunmei ist Schülerin der 10 Klasse in Rizhao. Sie fing ganz beherzt an zu berichten- in gut verständlichem Englisch – aber dann kamen auf einmal Tränen und sie wechselte ins Chinesische: „Meine Eltern sind beide schon ziemlich alt, beide mussten mehrfach operiert werden, meine Mutter dreimal. Das Geld für die Operationen mussten wir uns leihen, jetzt sind wir hoch verschuldet. Wenn ich am Wochenende heimkomme, kümmere ich mich um meine Mutter und mache den Haushalt, denn sie ist bettlägrig. Ich möchte mich gerne mehr kümmern. Mein Traum ist es Wissenschaftlerin zu werden im Bereich Medizin.“
Chen Zhiyuan, 17 Jahre alt, in der 11 Klasse in Linqu, stammt aus einem abgelegenen Bergdorf, daheim sind sie zu viert, Eltern und Großvater und er. Nach schweren Krankheiten und Operationen können Eltern und Großvater nicht mehr die Feldarbeit machen und sind auf Hilfe von anderen angewiesen. Obendrein haben sie alle Ersparnisse für die Krankenhauskosten verbraucht hat und noch Schulden aufnehmen müssen. Zhiyuan, hat sich auf die Begegnung mit uns vorbereitet, „ Ich mag Deutschland, vor allem den deutschen Fußball und auch Politiker wie Bismarck. Wir müssten in China einen Bismarck haben.“ Über die Einführung von Renten- und Sozialversicherung in Deutschland ist er erstaunlich gut informiert. Das zeigt auch, wie gut die Ausbildung an dieser Oberschule ist, wo eine Schülerbibliothek auch ein paar Bücher über andere Länder bietet und im Computerraum auch selbständig zu bestimmten Zeiten recherchiert werden kann.
Weitere Schülerporträts unter „unsere Schüler“
In Linqu haben wir auch Gao Yujie wieder getroffen. Ein Mädchen, das wir seit 9 Jahren begleiten. Sie nahm mich mit Tränen in den Augen in den Arm.
Herr Xue (Bild rechts) ist unser Helfer vor Ort in Linqu, (2009 mit Gao Yujie). Er hat sich um die immer wieder notwendigen Operationen gekümmert, ist mit ihr zu Ärzten und Spezialisten in der Landeshauptstadt gefahren. Seinem selbstlosen Einsatz verdanken wir, dass wir Gao Yujie wirklich helfen konnten. Schulisch hat sie inzwischen alles nachgeholt und ist eine sehr gute Schülerin in der 10. Klasse. Sie will Rechtsanwältin werden. Ihr Vater wollte uns unbedingt zum Essen auf sein Dorf einladen, aber wir hatten keine Zeit, denn wir mussten noch an die zweite Schule in Linqu. Die ausführliche Geschichte über Gao Yujie ist hier.
Auf unserer Reise haben wir auch zwei Dörfer besucht, in denen wir vor 16 Jahren angefangen haben Grundschüler zu unterstützen.
Die Grundschule im Dorf Shanjiapo in der Gemeinde Heshan und die Schule in Shanxin. Wir konnten uns davon überzeugen, dass der chinesische Staat seit Jahren viel in die Ausstattung der Schulen investiert, dass kein Schulgeld mehr erhoben wird und diesen armen Kreisen auch die Hefte und Bücher für die Kinder kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Was für ein positiver Gegensatz zu den Zuständen vor anderthalb Jahrzehnten: Die Schulgebäude sind neu gedeckt,- damals regnete es oft rein, wir haben an einigen Schulen Dächer reparieren lassen, damit überhaupt Unterricht stattfinden konnte - die Schulhöfe sind gepflastert, man spielt nicht mehr im Matsch in den Pausen und die Schulen sind seit zwei Jahren an die öffentliche Wasserleitung angeschlossen. Unsere Brunnen, die wir hier damals bohren und Wassertürme dazu bauen ließen, weil die Kinder vom Bachwasser immer krank wurden, stehen noch als Erinnerung an unsere Hilfe. Sie haben 13 Jahre gute Dienste geleistet. Ziel für die Grundschulen ist nur noch 30 Kinder pro Klasse zu haben. In Shanjiapo hat man das Ziel erreicht, in Shanxin ist man mit 50 Kindern pro Klasse noch weit davon entfernt. Es gibt weiter einen großen Mangel an Grundschullehrern, die auf Dörfern bereit sind zu unterrichten.
Auch in der Gegend von Linqu haben wir ein Dorf besucht in dem wir einst Grundschülern geholfen haben. Nun sind aus diesem christlichen Dorf vier Schüler unter „unseren“ Oberschülern in Linqu.
Die Gründerin der christlichen Gemeinde in Wuqing, eine alte Dame von weit über 80 Jahren, erzählte uns, wie es dazu kam: Ihr Vater, kein Christ, hat bei einem Missionar gearbeitet, der aber, wie alle Missionare 1949 das Land verlassen musste. Als ihr Vater sehr krank wurde, betete die Familie in höchster Not zu Jesus, wie sie es früher beim Missionar beobachtet hatten. Der Vater wurde gesund und darauf hin gründete die Tochter die christliche Gemeinde. Ihr Sohn war dann der erste Pfarrer und jetzt ist es sein Bruder. Sie sind keine studierten Pfarrer, sondern weiter Bauern, haben aber eine Predigerausbildung nebenbei gemacht. Der Gottesdienstraum ist an das Wohnhaus angeschlossen, hier treffen sich die 200-300 Christen des Dorfes regelmäßig. Und sie sind sehr sangesfreudig. Wir antworteten dann auch mit einem gemeinsamen „Lobe den Herren“. Die Gemeinde würde gerne eine richtige Kirche bauen, aber dafür gibt es kein Grundstück.
– In Gesprächen mit vielen Chinesen auf meinen Reisen habe ich immer wieder festgestellt, dass viele auf Sinnsuche sind, sich für Religionen interessieren, weil der harte Konkurrenzkampf, der schnelle Wandel in China viele überfordert und sowohl die, die nicht zu den Gewinnern der Marktwirtschaft gehören moralischen, seelischen Halt suchen und etliche der Erfolgreichen sich fragen, ob die Jagd nach Gewinn und immer mehr, der einzige Lebenssinn sein sollten. Alle Religionsgemeinschaften in China verzeichnen in den letzten Jahren einen erheblichen Mitgliederzuwachs.
Fazit unserer Reise:
China hat sich für uns wieder als Land extremer Gegensätze dargestellt. Zwischen den Hochhäusern in Shanghai, auf den Meeresbrücken über 40 km breite Buchten,
im Hochgeschwindigkeitszug, der mit 310 km pro Stunde lautlos die großen Städte verbindet, da zweifelten wir, ob es richtig ist, in China zu helfen. Das Land ist in seiner Entwicklung an vielen Orten schneller und weiter als jedes Land im Westen.
Doch dann, nur eine Fahrstunde von den Boomstädten entfernt, fühlt man sich um mindestens ein Jahrhundert zurück versetzt. Da werden die Lasten am Tragejoch auf der Schulter transportiert, da ist Fleisch im Essen die große Ausnahme, da verarmen Menschen, weil sie keine Krankenversicherung haben, weil sie keine Entschädigung bei Unfällen bekommen, weil sie von ihrem Stückchen Land vertrieben werden für den Bau von Strassen und Hochhäusern und sie dann zwar vielleicht eine Wohnung als Ersatz bekommen, aber keine Arbeit mehr haben. Den Kindern dieser Menschen zu helfen ist weiter sinnvoll. Wir sind überzeugt:
Nur Bildung kann den Teufelskreis der Armut dauerhaft durchbrechen.
Das Erfreuliche: der chinesische Staat tut immer mehr für die Bildung, es reicht noch nicht, aber ist auf einem guten Weg.
Das Positive: Keiner der Armen bleibt untätig wartend auf Hilfe vom Staat oder von anderen, jeder bemüht sich selbst etwas zu leisten.
Das Mutmachende: Eltern wollen, dass ihre Kinder lernen können. Davon muss sie keiner erst überzeugen. Im Durchschnitt geben chinesische Eltern – alle Schichten zusammen gezählt – 30% ihres Einkommens für die Bildung der Kinder aus. (Wenn man bei uns jeder bereit wäre nur 10% seines Einkommens für die Ausbildung der Kinder auszugeben, was wären wir für ein glückliches Land!)
Das Gute: Die Bereitschaft zu lernen und hart zu arbeiten ist riesig groß. „Unsere“ Schülerinnen und Schüler wissen, dass Lernen ein Privileg ist, sie sind gut in der Schule, sie werden gute Studenten werden. Viele siehe Porträt Student Peng Minghong wollen aus ihrer Erfahrung selbst etwas beitragen, damit es in China auch den Armen besser geht, und viele haben idealistische Vorstellungen, wie sie als Umwelttechniker oder Rechtsanwälte, als Ärzte oder Journalisten die chinesische Gesellschaft mit verändern könnten und sie zeigen, dass Helfen ansteckend sein kann.
Danke für Ihre Hilfe zum Helfen
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